Wer nach einem gemütlichen Abend mit Freunden oder einem Glas Wein beim Grillen überlegt, ob er noch mit dem Fahrrad nach Hause fahren darf, ist nicht allein. Viele Menschen nehmen an, dass das Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss weniger streng geregelt ist als das Autofahren – doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Auch Radfahrer sind Teil des Straßenverkehrs und unterliegen rechtlich klar definierten Promillegrenzen. Dieser Ratgeber klärt umfassend auf, wie viel Alkohol beim Fahrradfahren erlaubt ist, welche Folgen drohen und warum es besser ist, auch auf dem Rad nüchtern zu bleiben.
Rechtlicher Rahmen: Alkohol am Steuer vs. Lenker eines Fahrrads
Unterschied zwischen Kfz und Fahrrad im Verkehrsrecht
Rein rechtlich wird ein Fahrrad in Deutschland als „Fahrzeug“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO) eingestuft. Damit gelten für Radfahrer viele ähnliche Regeln wie für Autofahrer – inklusive der Vorschriften zur Fahrtüchtigkeit. Zwar ist das Gefährdungspotenzial eines Fahrrads geringer als das eines Autos, dennoch können alkoholisierte Radfahrer erhebliche Risiken für sich und andere verursachen.
Gesetzliche Promillegrenzen in Deutschland
- Autofahrer: Für sie gilt die 0,5-Promillegrenze, bei Fahranfängern in der Probezeit oder unter 21 Jahren gilt sogar ein absolutes Alkoholverbot (0,0 Promille).
- Radfahrer: Für sie liegt die sogenannte „absolute Fahruntüchtigkeit“ bei 1,6 Promille. Das bedeutet: Wer diesen Wert überschreitet, begeht eine Straftat – unabhängig davon, ob es zu Ausfallerscheinungen oder einem Unfall kam.
- Relative Fahruntüchtigkeit: Bereits ab ca. 0,3 Promille kann es bei auffälligem Fahrverhalten rechtlich problematisch werden.
Was bedeutet „absolute Fahruntüchtigkeit“ beim Fahrrad?
Grenzwert von 1,6 Promille – Warum diese Zahl?
Die Grenze von 1,6 Promille für Fahrradfahrer wurde durch Gerichtsurteile geprägt, insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie basiert auf medizinisch-psychologischen Erkenntnissen, ab welchem Wert die Fahrtüchtigkeit beim Fahrrad nachweislich stark eingeschränkt ist – unabhängig von der individuellen Alkoholgewöhnung.
Konsequenzen bei Überschreitung
- Geldstrafe: Je nach Einzelfall können empfindliche Geldbußen fällig werden, teils mehrere tausend Euro.
- Führerscheinentzug: Auch wenn man mit dem Fahrrad unterwegs war, kann der Führerschein für Kfz entzogen werden.
- MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung): Eine solche Begutachtung wird bei einem Wert von 1,6 Promille verpflichtend angeordnet.
- Eintrag in das Fahreignungsregister: Die Tat wird mit Punkten in Flensburg erfasst.
Relative Fahruntüchtigkeit: Schon bei geringerer Promillezahl riskant
Was zählt als Ausfallerscheinung?
Auch unterhalb der 1,6-Promille-Grenze kann eine Fahrt unter Alkoholeinfluss zur Anzeige führen – nämlich dann, wenn sogenannte „Ausfallerscheinungen“ auftreten. Dazu gehören:
- Schlangenlinienfahren
- Unkontrollierte Fahrmanöver
- Fahren ohne Licht bei Dunkelheit
- Missachtung von Verkehrsregeln (z. B. rote Ampel)
- Verursachung eines Unfalls
Wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden
In Fällen relativer Fahruntüchtigkeit kommt es stark auf die individuelle Beweislage an. Die Polizei dokumentiert das Verhalten vor Ort, Zeugenaussagen werden aufgenommen, ggf. wird eine Blutalkoholmessung durchgeführt. Bereits ab 0,3 Promille kann ein Unfall in Kombination mit Ausfallerscheinungen zu einer Strafanzeige führen.
Strafen und Sanktionen bei Alkohol auf dem Fahrrad
Bußgeld, Punkte und Führerscheinentzug
Die Sanktionen richten sich nach dem Promillewert und den Umständen der Fahrt:
- Ab 1,6 Promille: Strafanzeige, Geldstrafe, MPU, ggf. Führerscheinentzug
- 0,3–1,59 Promille + Auffälligkeiten: Strafanzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs
- Ohne Auffälligkeiten unter 1,6 Promille: In der Regel keine Strafe – trotzdem riskant
Konsequenzen bei Unfall unter Alkoholeinfluss
Kommt es zu einem Unfall, sind die Folgen meist drastisch:
- Zivilrechtliche Konsequenzen: Der Radfahrer haftet für Schäden – unter Umständen auch persönlich, wenn Versicherungen wegen Alkoholeinflusses nicht zahlen.
- Versicherungstechnische Probleme: Hausrat- oder Privathaftpflichtversicherungen können Regress fordern.
- Strafrechtliche Folgen: Je nach Schwere des Unfalls sogar Freiheitsstrafen möglich.
Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) für Radfahrer
Wann wird eine MPU angeordnet?
Die MPU wird bei absoluter Fahruntüchtigkeit (>1,6 Promille) verpflichtend. Aber auch bei mehrfacher Auffälligkeit unterhalb dieser Grenze oder bei Unfällen kann die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU verlangen, um die generelle Eignung zum Führen von Fahrzeugen zu prüfen – auch wenn du (noch) keinen Führerschein besitzt.
Wie läuft die MPU ab?
Die MPU umfasst mehrere Teile:
- Medizinische Untersuchung
- Leistungstests zur Reaktion und Konzentration
- Psychologisches Gespräch zur Aufarbeitung des Vorfalls
Wer die MPU nicht besteht oder sich verweigert, kann auf unbestimmte Zeit als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen gelten.
Internationale Unterschiede: Wie ist die Lage in anderen Ländern?
Alkoholgrenzen für Radfahrer in Österreich, Schweiz, Niederlande
- Österreich: Grenze bei 0,8 Promille – ab 0,5 Promille gibt es bereits Verwarnungen
- Schweiz: Alkoholgrenze liegt bei 0,5 Promille – ab 0,8 droht Führerscheinentzug
- Niederlande: Keine spezielle Grenze – allgemeine Regelungen zur Gefährdung gelten
Was Urlauber wissen sollten
Auch im Ausland kann Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss empfindlich bestraft werden. Zudem kann es Probleme geben, wenn man später in Deutschland mit ausländischen Sanktionen konfrontiert wird – etwa über internationale Abkommen oder im Versicherungsfall.
Tipps für sicheres Verhalten nach Alkoholkonsum
Alternative Fortbewegungsmittel nutzen
- Spaziergang – sicher und gesund
- Öffentliche Verkehrsmittel – legal und zuverlässig
- Taxi, Mitfahrdienste oder Fahrradtaxi
Promillegrenzen im Blick behalten
Apps oder Online-Rechner können eine grobe Einschätzung geben, ersetzen aber keine exakte Blutalkoholmessung. Vorsicht: Alkohol wirkt bei jedem anders. Faktoren wie Körpergewicht, Trinkgeschwindigkeit, Essverhalten und Geschlecht beeinflussen den Promillewert stark.
Verantwortung im Straßenverkehr
Unabhängig vom rechtlichen Rahmen gilt: Wer sich betrunken aufs Rad setzt, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere. Rücksichtnahme und Verantwortung sind entscheidend, um Unfälle zu vermeiden – auch ohne Motor.
Fazit: Besser schieben als riskieren
Die Vorstellung, dass Radfahrer mehr trinken dürfen als Autofahrer, ist gefährlich und rechtlich nur bedingt korrekt. Ab 1,6 Promille wird es strafrechtlich ernst – und schon bei geringeren Werten kann auffälliges Verhalten ernste Konsequenzen haben. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt das Fahrrad lieber stehen oder schiebt. Ein kleiner Umweg zu Fuß ist besser als eine Strafanzeige, Punkte oder gar eine MPU.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Gilt Alkohol auf dem E-Bike wie beim normalen Fahrrad?
Ja. E-Bikes, die bis 25 km/h unterstützen und keinen Führerschein erfordern, gelten rechtlich als Fahrräder. Für sie gelten dieselben Promillegrenzen. Bei S-Pedelecs (über 25 km/h) gilt hingegen die 0,5-Promillegrenze wie für Kfz.
Was passiert, wenn ich unter 1,6 Promille fahre, aber einen Unfall baue?
In diesem Fall kann eine „relative Fahruntüchtigkeit“ angenommen werden. Kommt es zu Ausfallerscheinungen oder einem Unfall, drohen Strafanzeige, Geldstrafe und Punkte in Flensburg – auch unterhalb von 1,6 Promille.
Kann ich den Führerschein verlieren, obwohl ich nur Fahrrad gefahren bin?
Ja. Das Führen eines Fahrzeugs (auch Fahrrads) unter erheblichem Alkoholeinfluss kann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Zudem wird die Behörde oft eine MPU anordnen.
Muss ich zur MPU, obwohl ich keinen Führerschein habe?
Ja. Die Fahrerlaubnisbehörde kann eine MPU zur Prüfung deiner generellen Fahreignung verlangen. Ohne Bestehen dieser Untersuchung wird dir später möglicherweise keine Fahrerlaubnis erteilt.